Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in Deutschland ein?
In deutschen Krankenhäusern sehen wir eine konträre Entwicklung, was die Anzahl der Patientenfälle und die Anzahl der Krankenhäuser betrifft. Während es 1991 noch 2.400 Krankenhäuser in Deutschland gab, lag die Zahl 2018 bei 1.925. Dementsprechend sind auch die Krankenhausbetten gesunken, und zwar von rund 660.000 auf rund 500.000. Die Patientenfälle hingegen verzeichnen seit 1991 einen Anstieg um rund 25% – auf 19,4 Millionen Fälle pro Jahr. Diese gegenläufigen Entwicklungen wirken sich nicht unbedingt positiv auf die wirtschaftliche Situation der deutschen Krankenhäuser aus. Das zeigt auch der Krankenhaus-Rating-Report aus dem letzten Jahr. 40% der Krankenhäuser sind nicht mehr ausreichend in der Lage, zu investieren.
Wie versuchen Krankenhäuser diesen Trends zu begegnen bzw. wirtschaftlich erfolgreich zu handeln?
Die Bewältigungsstrategie besteht bisher darin, vermehrt auf minimalinvasive Techniken zu setzen, um den stationären Aufenthalt so kurz wie möglich zu halten. Gleichzeitig wird versucht, die Anzahl ambulanter Aufenthalte und letztlich den Bettenumschlag zu erhöhen, weil das den Kapitalumschlag erhöht. Auch finden industrielle Ansätze des Lean-Managements Eingang in Krankenhäuser. Ein Beispiel ist die Minimierung von sogenannten Rüstzeiten. Damit Mitarbeiter sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, wurden ihnen z.B. externe Rüsthelfer zur Seite gestellt. Auf das Krankenhaus übertragen könnte man beispielsweise eine Analogie zu den internen Patiententransporten finden, die nicht vom Kernpersonal getätigt werden müssen.
Wie hoch schätzen Sie das Outsourcing-Potenzial im Krankenhausumfeld ein?
Hier gilt es, die verschiedenen Prozesse im Krankenhausumfeld differenziert zu betrachten. Prozesse, die in der Kostenstruktur von Krankenhäusern den Sekundärkosten zuzuordnen sind, wie Labor, Apotheke sowie Ver- und Entsorgung, werden bereits outgesourced. Großes Potenzial bergen die weiteren tertiären Kosten. Hierunter fallen beispielsweise die Patiententransporte. Für das Transportieren von Patienten von Station A zu Station B oder in den OP-Bereich ist kein medizinisches Fachwissen nötig bzw. die Fachkompetenz einer Pflegekraft nicht zwingend notwendig. Dasselbe gilt für Prozesse wie Patientenbegleitung, Materialtransporte und Lagerhaltung. Viele dieser Tätigkeiten werden aktuell von Pflegern und anderem medizinischem Personal übernommen, deren Kernkompetenz jedoch eigentlich in der Betreuung und Pflege der Patienten besteht. Hier liegt das größte Auslagerungspotenzial verborgen. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wäre das Outsourcing solcher „nicht-wertschöpfender“ Tätigkeiten für ein Krankenhaus ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um Ressourcen freizusetzen.
Welche Problematik sehen Sie in Bezug auf Outsourcing-Maßnahmen im Krankenhausumfeld?
Die Krankenhausbranche ist eine eher traditionelle, konservative Branche, speziell bei kirchlichen Einrichtungen macht sich das bemerkbar. Verantwortliche hegen daher nicht selten Vorbehalte gegenüber externen Dienstleistern. Die Angst vor beispielsweise Qualitätsverlusten, einem Versorgungsrisiko und hohem Aufwand bei dem Umstellungsprozess ist oft noch zu groß. Die Aufgabe von Beratungen bzw. externen Dienstleistern besteht darin, das Bewusstsein für die Möglichkeiten des Outsourcings zu schaffen und speziell das Thema Kernkompetenz in den Fokus zu rücken, idealerweise in Form von Workshops mit den Bereichsverantwortlichen des Krankenhauses. Transparenz und Kommunikation sind in der Branche sicherlich sogar noch wichtiger als in anderen. Ich kann Krankenhäusern nur raten, eine langfristige Partnerschaft mit Dienstleistern anzustreben, in der die kontinuierliche Verbesserung Bestandteil des Vertrages ist.
Was können Einkaufsverantwortliche in Krankenhäusern von Logistikern adaptieren?
Analog zu produzierenden Unternehmen stehen auch Krankenhäusern unter anderem vor dem Problem, ihre Bestände erfolgreich zu managen. Im Krankenhausumfeld wird das Bestandsmanagement oft zusätzlich durch dezentrale Lagerungen – in unterschiedlichen Stationen oder gar an verschiedenen Standorten – erschwert. Die Lösung wäre eine zentrale Lagerung am eigenen Standort oder an einem externen Lager, unterstützt durch einen Dienstleister. In jedem Fall gilt, einen kurzen Bedarf vorhalten und auf Just-in-time-Lieferungen zu stellen, um die Lagerkosten nicht unnötig in die Höhe zu treiben.
Prof. Dr. Thomas Mühlencoert
Prof. Dr. Thomas Mühlencoert ist seit 2000 Professor für Logistik, Organisation und IT an der Hochschule Koblenz. Als Experte für Organisationsentwicklung und Prozessoptimierung ist er u.A. als Berater für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft, darunter Krankenhäuser, tätig. Außerdem ist er seit 2011 Mitglied im Aufsichtsrat der ELSEN Unternehmensgruppe.
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